Er war ein Kollege, mit dem ich etwa fünf Jahre lang gerne zusammengearbeitet hatte. Da er verlässlich und pünktlich war, war er auch bei meinen Kunden beliebt. Bei einer gemeinsamen Tour mit einer Journalistengruppe durch die Stadt hatten wir zwischendurch lange Wartezeiten, in denen er mir von seiner Familie, von seiner Heimat Bulgarien und fast seine ganze Lebensgeschichte erzählte. Immer wieder übernahm er verschiedene Fahrten für mich. Dass der Transferauftrag, den ich ihm im September 2020 gab, der letzte sein sollte, ahnte ich nicht.
Es war vielleicht vier oder sechs Wochen später, als ich wieder einen Auftrag für ihn mit seinem Kleinbus gehabt hätte. Doch er konnte die Fahrt nicht übernehmen – er war im Krankenhaus. Verdacht auf Krebs. Ich traf ihn einige Male, wenn ich Patient*innen zur Onkologie brachte; der Verdacht hatte sich bestätigt. Damals war er noch recht zuversichtlich, was die Fortschritte bei der Therapie betraf. Hin und wieder begegnete er mir mit seinem Auto auf der Straße und winkte mir zu. Dann war er wieder im Krankenhaus. Wenn er zu meinem Taxi kam, um mich zu begrüßen, erkannte ich ihn manchmal erst auf den zweiten Blick; die Chemotherapie hatte ihre Spuren hinterlassen. Alle paar Wochen rief ich ihn an oder schrieb ihm eine Nachricht. Die anfängliche Zuversicht war mittlerweile einer Resignation gewichen. Mit dem Taxifahren war es vorbei. Seine Gewerbeberechtigung hatte er zurückgelegt, erzählte er mir.
Ende April dachte ich öfter an ihn und daran, ihn wieder einmal anzurufen. Ich tat es aber nicht gleich. Entweder war es zu früh am Morgen oder zu spät am Abend oder ich hatte gerade eine Fahrt, jedenfalls verschob ich das Telefonat von einem Tag auf den anderen. Wenige Tage später las ich seinen Namen bei den Todesnachrichten in der Zeitung. Am 30. April trat er seine letzte Reise an. Möge er in Frieden ruhen.